Besuch der Sonderausstellung „Corvey und das Erbe der Antike“

Besuch der Sonderausstellung „Corvey und das Erbe der Antike“

Der Heimat- und Verkehrsverein hatte seinen Mitgliedern die Teilnahme an der Ausstellungsführung „Corvey und das Erbe der Antike: Kaiser, Klöster und Kulturtransfer“ im Diözesanmuseum Paderborn angeboten. Am 11. Januar, an einem kühlen Winternachmittag, war es soweit: 21 Teilnehmer, angereist per Auto oder Zug, trafen sich um 15.30 Uhr im Eingangsbereich des Museums.

Dort wartete bereits der Gästebegleiter Dr. Hans-Hubert Rohde auf uns. Die gut 90-minütige Führung begann vor der eindrucksvollen Bronzefigur der Bärin, wohl eine römische Kopie eines griechischen Originals, eine Leihgabe aus dem Aachener Domschatz. Dieses Exponat ist beispielhaft für die Bedeutung römischer Artefakte im Mittelalter, da das Fränkische Reich sich in die Nachfolge des antiken römischen Imperiums stellte.

Die sehr informativen Erläuterungen unseres Begleiters, mit vielen Details zu historischen Hintergründen, gewürzt durch seinen öfters durchscheinenden trockenen Humor, bezogen sich auf den „roten Faden“, der den Grundtenor der Ausstellung darstellt: die vielen Anleihen des Mittelalters aus der Antike. Anleihen, die im Effekt auch eine Bewahrung des antiken Wissens, der Schätze und Kulturleistungen bedeuten.

Dies wurde an einer Vielzahl von faszinierenden Exponaten ersichtlich, begreifbar und auch erläutert. Dazu gehören die Architektur oder Bauelemente, wie die Säulen des Westwerks der Abtei Corvey (eine davon befindet sich in der Ausstellung), aber auch zahlreiche Beispiele der Schriftkultur, wie die Inschriftenplatte vom Westwerk, die deutlich römischen Vorbildern nachempfunden ist, ähnlich wie die goldene Inschriftenplatte vom Ida-Kreuz aus dem Domschatz in Essen. Schriften nahmen überhaupt einen breiten Raum ein in der Ausstellung, etwa die berühmte Handschrift aus Corveyer Besitz mit den Annalen des Tacitus – die Teilnehmer wurden erinnert, daß unser Wissen von der Varusschlacht im Teutoburger Wald aus dieser Quelle stammt. Neben vielen weiteren Handschriften auf Pergament, wie Fragmente einer Handschrift des römischen Dichters Vergil aus der Stiftsbibliothek St. Gallen, eindrucksvoll „illuminiert“ mit Gold und Silber, war auch ein Papyrus-Dokument zu bestaunen: die Abschrift der Gründungsurkunde des Stifts Neuenheerse aus dem Jahr 891, abgefaßt in veralteter Schrift und ein weiteres Beispiel für das Festhalten an antiken Traditionen.

Weitere Beispiele der Übernahme antiker Traditionen waren Teile des reichverzierten Sarkophags von Ludwig dem Frommen, Gründer von Corvey, ebenso aus römischer Zeit, wie die ursprünglich römischen Elfenbeintafeln, die eine – manchmal modifizierte – Neuverwendung in Bucheinbänden oder- deckeln fanden. Außerdem waren natürlich die Reste der Wandmalereien aus dem Johanneschor der Abtei Corvey, die einzige erhaltene mittelalterliche Darstellung des Epos „Odyssee“, wichtiges Thema der Ausstellung: in Szene gesetzt als Kopien mit besonderen Lichteffekten.

Ausstellungsstücke wie wertvolle Goldschmiedearbeiten mit eingearbeiteten antiken Edelsteinen und einige kostbare erhaltene mittelalterliche Stoffreste mit antiken Motiven waren ebenfalls zu bewundern. Eine weitere Anleihe aus der Antike bezieht sich auch auf die Bewahrung und Verehrung von Reliquien, und unser Gästebegleiter gab uns interessante Einblicke in ihre Bedeutung für die Gründung von Kirchen und Klöstern, und die sich beinahe kreuzenden Transportwege der Reliquien von St. Vitus und St. Liborius, fast gleichzeitig auf dem Weg von Frankreich in das heutige Ostwestfalen.

Es war eine wirklich gelungene Ausstellungsführung: sehr sorgsam ausgesuchte Exponate, die meisten davon Leihgaben, die uns Besuchern im Diözesanmuseum einen Eindruck davon vermittelten, wie im Mittelalter antike Kulturtechniken bewahrt, genutzt und weitergegeben wurden. Die Ausführungen unseres Gästebegleiters brachten uns die mittelalterlichen Handwerker, Mönche, Gelehrten und Herrscher, die diese Museumsstücke schufen oder schaffen ließen, näher und vermittelten uns Zusammenhänge und Einblicke – auch in die besondere Rolle des Klosters Corvey im Kulturtransfer im Mittelalter.

Dr. Rudolf Hermes
(Beiratsmitglied des HVV)

Fotos der Veranstaltung finden sich in der Fotogallerie

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